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Ilka Schröder

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An
Bündnis 90/Die Grünen
Landesvorstand Hessen
Herrn Dr. Hubert Kleinert
Kaiser-Friedrich-Ring 65

65185 Wiesbaden

12.07.2000

Offener Brief: Dein Schreiben v. 29.6.00 wegen Ozan Ceyhun

Lieber Dr. Hubert Kleinert,

ich weiss, dass Du Sprecher des hessischen Landeverbandes von Bündnis 90/Die Grünen bist, dem Ozan Ceyhun ebenfalls angehört. Auch Deine von Pluralität und Toleranz gekennzeichnete Weltanschauung ist mir bekannt. Da Ozan der einzige hessische Grünen-Abgeordnete im europäischen Parlament ist, freut es mich zu lesen, daß Du »eher wenig« von Parteiordnungsmassnahmen hältst.

Wegen der Irritation, die meine »öffentlichen Einlassungen« bei Dir ausgelöst haben:
Eine politische Diskussion ist nur möglich, wenn Du genauer erklärst, welche meiner Forderungen Du meinst und was Deine Vorstellungen zum jeweiligen Thema sind.

Pluralität und Toleranz hören für mich dort auf, wo die in unserem Parteiprogramm stehenden Grundsätze für uns keine Rolle mehr spielen, von RepräsentantInnen der Partei das exakte Gegenkonzept vertreten wird oder Abgeordnete wegen ihrer Programmtreue als »krank« (gegen Werner Schulz, MdB, wg. Atomkonsens), »dümmlich« oder »ein Kind, das nichts von Politik versteht« (Beschimpfungen gegen mich) bezeichnet werden. Wer für alles offen ist, ist nicht ganz dicht. Toleranz ist dann Intoleranz, wenn nichts mehr kritisch hinterfragt wird.

Wer militaristische, unsoziale und ausgrenzende Politik vertritt oder den Polizeistaat in Europa voranbringen will, wird von mir weiterhin kritisiert werden - egal aus welcher Partei diese Äußerungen kommen. (Sonst könnten Leute wie Kohl oder Haider einfach bei den Grünen eintreten, um nicht mehr kritisiert zu werden.)

Meine Aussagen verstehe ich als politische Kritik und als Kontrastprogramm zum parteischädigenden Verhalten anderer Europaabgeordneter. Wenn Du in den Pressespiegel auf http://www.ilka.org siehst, wird Dir auffallen, dass sich in den Medien bisher nur Heide Rühle mit öffentlichen, persönlichen und unpolitischen Attacken hervorgetan hat. Aus diesem Grund wären Deine Hinweise zu Publicity und Medienkonjunkturen wohl eher an ihre Adresse zu richten.

Mir ist es wichtig, das Bild der Bündnisgrünen in der Öffentlichkeit und unter den Grünen in der EU nach solch peinlichen und menschenverachtenden Fehlgriffen wie dem von Ozan Ceyhun zurechtzurücken.

Bei meinen Bemühungen, grüne Programmatik in grünen Parlamentsfraktionen einzufordern, bekomme ich glücklicherweise auch den Rückenwind der Fraktionsmehrheit.

Erst letzte Woche musste Ozan Ceyhun vom Fraktionsvorsitzenden »zurückgepfiffen« werden, weil er eigenmächtig im Namen der Fraktion eine EP-Resolution unterschrieben hatte, die Polizeimassnahmen gegen FluchthelferInnen forderte, aber nicht der Meinung der Fraktion entsprach.

Ich verstehe mich mich im übrigen nicht als »innerparteiliche Opposition«, sondern als eine in etwa »mitte-links« verortete Vertreterin des grünen Parteiprogramms.

Dich, lieber Dr. Hubert Kleinert, würde ich um die Darlegung von politischen Argumenten bitten, die für die Vereinbarkeit von Ozan Ceyhuns Flüchtlingspolitik mit den Positionen von Bündnis 90/Die Grünen sprechen.

Sollte nach einer Prüfung seiner Aktivitäten durch den Landesvorstand keine Schnittmenge mit grüner Programmatik festgestellt werden können, würde ich Euch bitten, ihm die Grundlinien grüner Politik persönlich oder brieflich darzulegen.

Dein Schreiben an mich - das Du nicht als »Offenen Brief« gekennzeichnet hast - bekommen anfragende Personen ohne jede Überredungskünste aus Eurer Landesgeschäftsstelle zugefaxt. Mein Schreiben betrachte ich ebenfalls als öffentlich - und kennzeichne es auch so.


Mit freundlichen Grüssen

Ilka Schröder

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