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Militär/Krieg | Denkpause 16 | 10.12.01

NATO, EU und albanische Nationalarmee Hand in Hand

Völkischer Terrorismus ethnisiert Mazedonien

Mit dem Angriff auf Jugoslawien an der Seite der UCK hat die Europäische Union im Jahr 1999 überzeugend bewiesen, dass sie eine Ethnisierung des Balkans anstrebt. Jeder souveräne Staat auf dem Balkan muss heute damit rechnen ebenfalls Ziel einer solchen Attacke zu werden. In Mazedonien gewann die NATO-Bodentruppe UCK allerdings auch ohne die Tornados des großen Verbündeten. EU und NATO mussten nur noch »diplomatisch« nachbessern.

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Nach historischen Abstimmungen erheben sich Abgeordnete üblicherweise von ihren Sitzen und feiern sich mit tosendem Applaus. In der Sobranie, dem Parlament Mazedoniens, blieb es nach der von NATO und EU geforderten Änderung der Verfassungspräambel über die Zusammensetzung des Staatsvolkes auffällig ruhig. Abstimmung und Inkraftsetzung fanden absichtlich mitten in der Nacht statt um den erwarteten Protesten vor dem Parlamentsgebäude zu entgehen. Jubel dagegen vernahm man in Brüssel. Der EU-Beauftragte für die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) Javier Solana meinte, es sei »für Frieden, Versöhnung und die Ablehnung von Gewalt« votiert worden. Mazedonien habe damit »seinen Platz in der europäischen Familie gefestigt«. Noch wenige Tage zuvor hatte Javier Solana mit Gewalt gedroht bzw. »vor einem Wiederaufflammen der Kämpfe gewarnt« (faz), sollten die Terroristen von der UCK nicht, wie im so genannten Ohrider Friedensabkommen zugesagt, amnestiert werden.
Viele Abgeordnete haben die Verfassungsänderung bis kurz vor der entscheidenden Abstimmung als »Kapitulation vor dem Terrorismus« abgelehnt. Das mazedonische Staatsoberhaupt, Präsident Boris Trajkovski, hatte die Forderung der AlbanerInnen als zweites Staatsvolk in die Verfassung aufgenommen zu werden noch im April abgelehnt. »Wir sind keine Stämme, wir müssen ein klares Konzept für die Bürgergesellschaft entwickeln. Wir wollen Rechte für Bürger, nicht für ethnische Gruppen.« (konkret 7/2001)
Nun ist alles anders. Der albanisch-separatistische Terror hat sich also wieder einmal gelohnt, die Ethnisierung des Balkans ist mit der Verfassungsänderung ein Stück weiter voran getrieben worden. Auf ethnische Separation gerichtete Gewalt dürfte sich auch weiterhin auszahlen, da NATO und EU auch nach der Umsetzung aller Zugeständnisse von mazedonischer Seite nicht bereit zu sein scheinen, endlich den völkischen albanischen Terrorismus als wirkliches Problem zu betrachten.
Die offiziell entwaffnete UCK hat sich unterdessen in eine Albanische Nationalarmee (AKSh) verwandelt. Sie wird zwar von der NATO als virtuelle »Internet-Truppe« verharmlost (Sächsiche Zeitung 14.11.2001), doch ihre Blutspur ist bereits sehr real. So sagte der Leiter des Berliner Informationszentrums für Transatlantische Sicherheit, Otfried Nassauer, der Frankfurter Rundschau (15.11.2001), die Freischärler könnten binnen Tagen oder Stunden ihre in den Kosovo geschafften Waffenarsenale zurückholen, wenn sie es für nötig hielten. Nach Angaben der mazedonischen Regierung tun die Rebellen dies schon längst. Sie stellen in den Ortschaften Cegrane, Furino, Celopek, Miljno im nordwestlichen Krisengebiet bereits neue Einheiten auf und schmuggeln beträchtliche Mengen Waffen, Munition und Ausrüstung aus dem Kosovo nach Mazedonien (Neues Deutschland 07.11.2001). Für die Rebellen ist es dabei sehr günstig, dass die EU eigentlich jede völkische Terrorbande als legitime Kombattantín mit berechtigten Interessen begreift. Dabei ist das Ziel der Terroristen keineswegs die Durchsetzung von Menschenrechten, die sie bereits seit Langem genießen, sondern vielmehr die weitere Ethnisierung der Gebiete und letztendlich die Abspaltung des Kosovos und der mazedonischen Gebiete mit albanischer Bevölkerungsmehrheit von der Bundesrepublik Mazedonien. Der Westen regt sich derweil nicht primär über die albanischen Terrorattacken auf sondern darüber, dass Mazedonien angesichts des Terrors »immer neue Fahndungslisten veröffentlicht« (Neue Zürcher Zeitung 03.11.2001). Schließlich wirke sich das Fehlen einer Amnestie negativ auf die Sicherheitslage in den Krisengebieten aus, so die nzz weiter.
Die Schuld an den Kämpfen trägt nach deutscher und europäischer Interpretation folgerichtig nicht die albanisch-völkische Guerilla, sondern die mazedonische Polizei, die es in geradezu unverschämter Weise wagt, in ihrem souveränen Staat gegen Mord und Totschlag zu ermitteln: »Die Kämpfe im Gebiet westlich von Tetovo wurden durch eine Aktion des Innenministers Ljube Boskovski ausgelöst. Dieser ließ am Wochenende die Polizei ohne internationale Beobachter zur Ausgrabung eines angeblichen Massengrabes entführter Mazedonier in ein von AlbanerInnen bewohntes Gebiet einrücken, das vor dem Waffenstillstand von albanischen Freischärlern der so genannten Nationalen Befreiungsarmee (UCK) gehalten wurde«, berichtet Bernhard Küppers (Süddeutsche Zeitung 13.11.2001). Auch in der Schweiz wünscht man sich ein solches sozialpädagogisches Anti-Frust Programm der akzeptierenden Terroristenarbeit mit brandschatzenden Albaner-Rebellen: »Die fehlende Amnestie wirkt sich negativ auf die Sicherheitslage in den Krisengebieten aus. Zwar patroullieren ethnisch gemischte, leicht bewaffnete Polizeipatrouillen in einigen der vormals besetzten Dörfer, sie ziehen sich aber bei Anbruch der Dunkelheit zurück und markieren so nur symbolisch das staatliche Gewaltmonopol. In der Nacht herrscht die `Ex-UCK’. Kein Wunder trauen sich die Mazedonier unter den 50.000 Vertriebenen nicht in ihre Häuser zurück, von denen letzte Woche wiederum Dutzende geplündert oder abgebrannt wurden - wahrscheinlich von frustrierten UCK-Kämpfern.« (Neue Zürcher Zeitung 03.11.2001). Arme frustrierte UCK-Kämpfer würden sich von einem Tag auf den anderen zur Ruhe setzen wenn sie nur endlich eine Anerkennung ihrer Ethnie als staatstragendes Volk und eine Amnestie für vergangene Morde erhielten. So also lautet der gemeinsame Friedensplan von europäischer Presse, EU und NATO.
Dass eine Amnestie für völkische Terroristen zu weiteren Mordtaten ermuntern könnte (Anmerkung des Säzzers: Diese Ausgabe erscheint in der neuen Zeichensetzung) scheint Westeuropa kalkuliert zu haben. Der Balkan wird komplett ethnisiert, später vielleicht der Rest Europas: Aus den UCK-Kämpfern sind neu motivierte Terroristen der Nachfolgeorganisation AKSh geworden. Mit der Abgabe von schrottreifen Waffen und dem Vergraben ihrer moderneren Ausrüstung haben sie de facto ohne Gegenleistung umfangreiche Zugeständnisse erhalten. Die Unterstützung der EU für den bewaffneten terroristischen Kampf ist ein Signal an alle gemäßigten albanischen SeparatistInnen, dass sich der Terrorismus letztlich schnell und umfassend auszahlt. Die Europäische Union fungiert im Kampf der albanischen Rebellen nicht als Friedensstifterin. Stattdessen gießt sie selbst Öl ins Feuer: »Besonders heftig wird geschossen, wenn ein EU-Vermittler in Anmarsch ist«, sagte ein Sprecher des mazedonischen Verteidigungsministeriums der Sächsischen Zeitung (09.11.2001).
Direkt nach der Verfassungsänderung und einer Amnestie von hundert UCK-Terroristen durch den mazedonischen Präsidenten Boris Trajkovski gehen die albanischen Rebellen also nicht in Rente, sondern rufen unter dem Briefkopf der AKSh in Schreiben an Nachrichtenagenturen »höchste Alarmbereitschaft« aus. Es werde ohne Warnung auf mazedonische Streitkräfte geschossen, die versuchten in vorwiegend von AlbanerInnen bewohnte Gebiete vorzudringen. Außerdem ruft die AKSh den »Krieg für die Befreiung aller albanischen Gebiete im ehemaligen Jugoslawien« aus. So wie es aussieht, werden ihre Verbündeten aus Brüssel und Berlin sie dabei weiter unterstützen: Mit einer »diplomatischen Offensive«, deren Wirkstoff-Formel aus Geld und der bald bereit stehenden Europa-Truppe unter deutscher Führung besteht.
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Zum Weiterlesen:

GASP-Seite (Solana)
http://ue.eu.int/pesc/home.asp?lang=de

Europäische Kommission: Außen- und Sicherheitspolitik
http://www.europa.eu.int/comm/external_relations/cfsp/intro/index.htm

Ilka Schröder zu »Militär & Krieg«
http://www.ilka.org/themen/mk.html

Ein immer noch aktueller und aufschlussreicher Artikel:
Jürgen Elsässer: Europa der Stämme. Probelauf in Mazedonien: Der Schröder-Plan zur EU-Reform wird zur Balkanisierung des ganzen Kontinents führen. In: Konkret 07/2001. In jeder guten Bibliothek oder für 10-Mark/5-Euroschein an: Konkret, Ruhrstr. 111, 22761 Hamburg

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