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Ilka Schröder

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Erklärung | Sonderdenkpause 2 | 28.09.01

Parteimitgliedschaft abgegeben - Fraktion verlassen

Sonst ändert
sich nix!

Nach gut zwei Jahren in der Fraktion »Die Grünen/Europäische Freie Allianz im Europäischen Parlament« und acht Jahren in der Partei »B’90/Die Grünen« verlasse ich heute Partei und Fraktion. Nunmehr bin ich parteilose Abgeordnete im Europäischen Parlament.

Den Grünen bin ich wegen ihrer früheren Grundsätze beigetreten. Es ist offensichtlich, dass die Partei diese Grundwerte heute nicht mehr vertritt. Dies sollte als Begründung für meinen Austritt eigentlich schon reichen. Erklärungen erwarte ich vielmehr von denjenigen, die sich selbst immer noch als »links« bezeichnen, aber dennoch in der Partei ausharren und aktiv für sie werben. Trotzdem fasse ich in dieser Denkpause noch einmal jene Kritikpunkte an den Grünen zusammen, die ich bereits in den letzten Jahren geäußert habe. Weit verbreitet ist nach wie vor das Vorurteil, die Grünen würden zwar nichts verbessern (was zum Teil von Grünen-Gremien auch eingeräumt wird), aber auch nichts schlimmer machen. Diese Annahme ist falsch, denn in allen wesentlichen Politikbereichen hat die Partei der Grünen systematisch Tabus gebrochen, auf denen alle Folgeregierungen aufbauen dürfen oder müssen: Zum Standardrepertoire deutscher Politik gehören nunmehr genauso Angriffseinsätze deutscher SoldatInnen wie die deutsch geführte Europa-Truppe, Einreisebewilligungen für MigrantInnen in Abhängigkeit von ihrer kapitalistischen Verwertbarkeit und ein Atomkonsens, der den Handlungsspielraum folgender, eventuell ausstiegswilliger Regierungen massiv einschränkt. Damit hat Rot-Grün das Traumprogramm aller ChristdemokratInnen realisiert, auf die somit ein extrem schwieriger Wahlkampf wartet. Um sich von der Regierungskoalition abzusetzen, muss ihr Programm nun noch kriegerischer und konzernfreundlicher, sozial-, grundrechte- und ausländerfeindlicher sein, als es die rot-grüne Realpolitik bereits heute ist. Und dieses Programm muss nach einem Wahlsieg entsprechend umgesetzt werden.

Meine politischen Positionen werden sich durch meinen Austritt nicht ändern, genauso wenig wie meine Haltung zur Entwicklung der Grünen. Dem geltenden Grundsatzprogramm der Grünen werde ich damit auch in Zukunft weit mehr gerecht, als es jene Abgeordneten tun, die noch in der Mitgliederkartei geführt werden. Schon lange haben politische GegnerInnen bemerkt, wie ich dem informellen Programm der Partei durch meine, aus ihrem Inneren vorgenommene Kritik und Demaskierungsversuche weit mehr geschadet habe, als mir dies mit einem früheren Austritt möglich gewesen wäre. Nicht zuletzt deswegen werden in der Berliner Parteiführung und dem Brüsseler Fraktionsvorstand heute einem Maschinengewehr gleich die Sektkorken knallen. Doch habe ich den Grünen leider nicht nur geschadet. Meine Aktivitäten haben der Öffentlichkeit gleichzeitig einen imagefördernden, innergrünen Pluralismus vorgespielt, der schon längst nicht mehr existiert, und den die Partei seit geraumer Zeit mit einem gegen mich gerichteten Parteiordnungsverfahren bekämpft.

Am 09.11.2000 beschloss der Bundesvorstand der Grünen, mich vor dem Berliner Parteischiedsgericht anzuklagen. Begründung: Fehlende Bereitschaft meiner Person, »die Ordnung der Partei ohne Ordnungsverfahren einzuhalten«. Ich reichte meine umfangreiche Entgegnung ein (https://www.ilka.org/ordnung), und das zuständige Gericht schlug verschiedene Verhandlungstermine vor. Nur der Bundesvorstand schien plötzlich sein Interesse verloren zu haben. Aufgrund andauernder »Terminprobleme« ist es nie zur Verhandlung gekommen. Genauso wenig hat die Parteiführung - trotz Aufforderung des Gerichts - eine Begründung für die Klage eingereicht. Der Grund: Weder die Bundesvorsitzenden Roth und Kuhn samt Sekretär Bütikofer noch ihre Vorgängerinnen Radcke und Künast konnten ein einziges politisches Argument für ihren Antrag und gegen meine sachliche, politische und polemische Kritik finden, die stets offen und deutlich die jeweils Verantwortlichen - Personen, Parteien und Regierungen - benannt hat.

Ilka Schröder

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