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Ilka Schröder

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Presseerklärung
Nr. 15/2000, Berlin 27.09.2000

Wahlen in Jugoslawien, Fälschungsversuche von NATO und EU?

Wahlen und Wahrheit

»Dass Milosevic seine Niederlage oder auch nur die Notwendigkeit einer Stichwahl eingestehen wird, daran glaubt kein Beobachter in Belgrad: Schließlich darf ein Volksheld keinen zweiten Wahlgang brauchen.« (Die Woche, 15.09.2000)

Zum Ausgang der Präsidentschaftswahlen in Jugoslawien, westlicher Wahlbeeinflussung und - kommentierung nimmt Ilka Schröder, Mitglied des Europäischen Parlaments (Grüne), Stellung:

Das Unfassbare ist wahr. Die vom »grausamen Diktator« vollständig kontrollierten Wahlbehörden und Medien haben ein Ergebnis veröffentlicht, nach dem der »Diktator« nicht gewonnen hat. Statt des pseudokommunistischen Nationalisten Milosevic liegt der antikommunistische Nationalist Kostunica (»Serbien zuerst, Demokratie später«) im ersten Wahlgang vorne.

Der »serbische Diktator« scheint das für ihn schlechte Wahlergebnis - im Gegensatz zu seinem überlegenen »demokratischen« Konkurrenten - anzuerkennen.
Das Problem liegt jetzt eher bei der deutschen Regierung. Die hatte schon vor zwei Monaten angekündigt, den Willen der jugoslawischen WählerInnen nicht hinzunehmen:

Der Präsident der jugoslawischen Teilrepublik Montenegro, Milo Djukanovic, und der deutsche Außenminister, Joschka Fischer, haben am Dienstag die neuen jugoslawischen Wahlgesetze scharf verurteilt, mit denen sich Jugoslawiens Präsident Slobodan Milosevic die Wiederwahl sichern will. Fischer sagte, mit der ‘nicht akzeptablen Änderung der Verfassung’ treibe Milosevic Jugoslawien ‘in den Abgrund’. (Berliner Zeitung 26.07.2000)

»Wahlergebnisse auf Grundlage der neuen Verfassung würden in Deutschland nicht anerkannt. ‘Ich will da gar nicht rumreden: was er (Milosevic) da an Verfassungsänderungen durchgesetzt hat, ist ein Ermächtigungsgesetz’ , sagte (Bundeskanzler) Schröder. Damit erinnerte er an die Machtpolitik Adolf Hitlers während des Dritten Reiches.« (Frankfurter Rundschau 25.09.2000)

Wenn der richtige Mann mit einem »Ermächtigungsgesetz« an die Macht kommt, macht das dem deutschen Bundes- oder Vizekanzler offensichtlich nichts mehr aus.

Joseph Fischer und Gerhard Schröder haben bisher auch nicht weiter ausgeführt, was an der Wahlrechtsänderung undemokratisch sei.
Das wäre auch schwierig: Ursprünglich wurde der Präsident von einer Kammer gewählt, in der 20 Abgeordnete etwa sechs Millionen SerbInnen vertraten und weitere 20 Personen circa 600.000 MontenegrinerInnen. Nach der Gesetzesänderung wird der Päsident direkt gewählt, und damit zählt jede Stimme gleich.
Diese Tatsache als »Ermächtigungsgesetz« zu bezeichnen, offenbart ein seltsames Demokratieverständnis, das sich zumindest nicht auf die griechischen Wortstämme »demos« und »kratein« beziehen kann.

Auch in der Bundesrepublik Deutschland werden zur nächsten Bundestagswahl die Wahlkreise neu aufgeteilt, um jede Stimme gleicher als bisher zählen zu lassen. Der Vorwurf, dieses sei eine Maßnahme, um die Herrschaft der rot-grünen Regierung zu verfestigen, wäre absurd.

Während man sich in Deutschland gar nicht erst die Mühe macht, Initiativen zur Änderung des Grundgesetzes zu ergreifen, um wenigstens im Einklang mit der eigenen Verfassung einen Angriffskrieg zu führen, wird Slobodan Milosevic eine vorab erfolgte Legalisierung seines Verhaltens zum Vorwurf gemacht.

Dagegen verdichten sich die Hinweise, daß Schröder und Fischer immer mehr herumwalsern. Nicht mehr nur erfundene Massaker müssen für das Abstreiten der Einmaligkeit der deutschen Geschichte herhalten, sondern auch eine Demokratisierung eines Präsidentenwahlverfahrens.

Bereits Wochen vor der Wahl kursierten Unterstellungen aus Politik und Medien, Milosevic werde die Wahlen fälschen, um an der Macht zu bleiben.

Dieser Vorwurf sollte wohl vor allem von den eigenen unlauteren Maßnahmen ablenken: Die EU hat Jugoslawien eine Menge Geld für die Reparatur der NATO-Bombenschäden zugesagt, sollte der gewünschte Kandidat gewählt werden. Zugegeben: Das ist eine ehrliche Einführung in die Funktionsweise der realkapitalistischen parlamentarischen Demokratie. Dennoch bringt ein solches Verhalten wenig wirkliche Vorteile gegenüber der pseudokommunistischen Demokratie in Jugoslawien mit sich.

Wer wie SPD und Grüne lauthals kritisiert, daß man mit Industriegeldern bei der CDU politische Entscheidungen eingekaufen kann, sollte nicht versuchen mit Milliarden Euro Steuergeldern in Jugoslawien nationalistische Wählerstimmen einkaufen zu gehen.

Weil aber offenbar nicht einmal ein Haufen Geld für den Erfolg der Opposition garantieren konnte, gründeten interessierte Personen ein sogenanntes »Zentrum für freie Wahlen und Demokratie«. Die Auskunft über die Finanzierung der Organisation wurde auf mehrfache Nachfrage verweigert.
Eine richtige Strategie für den Wahltag hatten die »unabhängigen Wahlbeobachter« nicht. Sie machten den gleichen Fehler wie auch Opposition und westeuropäische Regierungen: Sie veröffentlichten ihre Versionen der Wahlergebnisse immer zwischen den Beteuerungen, gar nicht als Beobachter zugelassen worden zu sein.
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