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Ilka Schröder

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10. März 1999 Jungle World

"Ich bin meine eigene Strömung"

Interview mit Ilka Schröder

Die 21 jährige Bündnisgrüne wurde am Wochenende auf Listenplatz 5 für die Europawahl gesetzt.

Umweltminister Jürgen Trittin hat auf dem Parteitag Tschernobyl als einen der Hauptgründe für die Abschaffung der Atomenergie bezeichnet. Damals waren Sie acht Jahre alt. War der Super-Gau für Sie ebenfalls das Hauptmotiv, um gegen Atomkraft zu sein?

Die Katastrophe war zwar nicht der Hauptgrund, hat aber der Anti-Atom-Bewegung einen großen Push gegeben. Auch wenn es ein schreckliches Ereignis war, hat es geholfen, das Thema auf die Tagesordnung zu setzen.

Warum sind Sie bei den Grünen eingetreten?

Ich war vorher beim Jugendverband des BUND. Die Umweltpolitik alleine hat mir nicht genügt, ich hatte noch verschiedene andere Interessen; die Frauenthematik war mir sehr wichtig.

Nachdem den Grünen bei der Hessen-Wahl vor allem die Jung-WählerInnen weggelaufen sind, will die Partei jetzt ihr Profil schärfen. Was wollen Sie, als jüngste Kandidatin, dafür tun?

Es wird zwar viel von der Jugend erzählt, aber wenn es im Parlament um Jugendthemen geht, wird es schwierig. Diese Themen müssen in allen Bereichen vertreten sein, zum Beispiel auch bei der Arbeitsmarktpolitik. Außerdem müssen wir unsere Inhalte und Konzepte, die da sind, wieder besser verkaufen. Das läuft meiner Meinung nach falsch. Die Inhalte an sich sind okay.

Auch wenn der radikale Flügel der Partei bereits vor zehn Jahren ausgetreten ist, wie z.B. Ditfurth oder Ebermann, gibt es weiterhin inhaltliche Differenzen zwischen den Partei-Flügeln. Reichen Ihnen die Linken bei den Grünen aus, um die Politik zu betreiben, die Sie gerne machen würden?

Ich finde es wichtiger, Politik an Sachthemen zu orientieren und sich darüber zu streiten, als dies an Personen festzumachen.

Aber die genannten Personen standen auch für eine antikapitalistische Position. Würden Sie die mittragen? Oder setzen Sie sich eher für Änderungen innerhalb des Systems ein?

Ich habe mich entschieden, möglichst radikal für Veränderungen innerhalb des Systems einzutreten.

Die Revolution ist demnach kein Thema?

Die Revolution ist eine schöne Floskel, unter der sich alle Leute etwas anderes vorstellen. Man soll sich lieber darüber verständigen, wie man in der jetzigen Situation eine möglichst soziale, gerechte Gesellschaft hinkriegt, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Daß es da unterschiedliche Meinungen gibt über das, was möglich ist oder nicht, ist klar.

Bei den Grünen dominieren derzeit zwei Strömungen: Die eine will so etwas wie eine grüne FDP mit neoliberale Wirtschaftskonzepten, die andere steht für eine Orientierung an den originär grünen Themen. Mit wem halten Sie es?

Ich bin meine eigene Strömung. Von einer Annäherung an die FDP halte ich aber nicht viel. Wir können doch beobachten, daß alle Parteien sich der rechten Mitte annähern. Deshalb müssen die Grünen ihr Profil als linke, ökologische, solidarische Partei stärken. Originär grüne Themen sind doch gerade für junge Menschen aktuell. Eine Arbeitspflicht für erwerbslose Jugendliche kommt für mich ebensowenig in Frage wie lange Ausstiegsfristen bei der Atomkraft.

Fischer hat auf dem Parteitag von der Verbindung zwischen Vision und Machbarkeit gesprochen. Können Sie damit etwas anfangen ?

Klar, das ist etwas total Wichtiges. Wir haben ein Programm, darüber müssen wir uns streiten. Und wir sind eine Partei, und deswegen lehne ich eine Regierungsbeteiligung nicht ab. Da muß man Kompromisse machen. Aber dafür muß man auch streiten - so daß die Umsetzbarkeit möglichst nah an den eigentlichen Ideen, an den Visionen dran ist. Aber schön, daß auch Fischer mal wieder gesagt hat, daß wir Visionen brauchen.

Hat das auch etwas mit den Strukturen der Partei zu tun, der Quotierung also, der Trennung von Amt und Mandat, oder ist das eine andere Debatte?

Für mich ist das auch eine Frage der Frauenquote, weshalb ich auch dagegen gestimmt habe, daß es zwei Minister und eine Ministerin gibt. Denn damit wird die Quote gekippt

Immerhin ist die Vizepräsidentin des Bundestags eine Grüne.

Was den Machtfaktor betrifft, bin ich mir sicher, daß der Bundesvizekanzler mehr zu sagen hat.

Das heißt, daß es Fischer nicht um die Struktur geht, sondern um die Macht?

Klar.

Interview: Markus Bickel

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