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Ilka Schröder

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Datum: 22.06.2000
Autorin: Olaf Standke
Quelle: Neues Deutschland

»Fragwürdig«: Interview mit Ilka Schröder zu: Förderung der EU für Fluchthelfer?

Sie haben kürzlich eine finanzielle EU-Förderung für Fluchthelfer gefordert und sich damit viel Kritik eingehandelt. Bleiben Sie denn auch nach der Tragödie von Dover bei dieser ungewöhnlichen Idee?

Ja, die Gründe sind doch geblieben. Die Menschen fliehen, warum auch immer, zu uns und gleichzeitig baut die Europäische Union die Festung EU stetig weiter aus. Die Menschen, die emigrieren, werden in die Illegalität gedrängt und haben gar keine andere Wahl, als per Schlepper, Schleuser, Fluchthelfer einzureisen. Warum also nicht deren Tätigkeit subventionieren, damit auch Minderbemittelte den Zugang finden können und diese »Dienstleistung« kontrolliert werden kann. Das ist besser, als Europol bei der Bekämpfung des illegalen Grenzübertritts zu unterstützen und würde Fälle wie in Dover ausschließen.

Wäre es nicht noch einfacher, wenn die EU-Staaten eine menschenfreundliche Asyl- und Einwanderungspolitik betreiben würden?

Natürlich wäre dann meine ungeliebte Forderung nach Subventionierung von Fluchthelfern ebenso überflüssig wie die Schleuser selbst. Allein die Erfahrungen mit Fluchthilfe und »Menschenhandel« an der Grenze DDR-BRD sollten schon zur unbürokratischen Umsetzung einer humanitären Flüchtlingspolitik führen. Aber genau das passiert ja nicht.
Wir haben in der Vorwoche im Europaparlament über einen Bericht zur Harmonisierung des Asylrechts abgestimmt. Kaum jemand hat sich dagegen ausgesprochen. Dabei bedeutet Harmonisierung in diesem Fall nur Verschärfung der Bestimmungen. Wie in Deutschland soll das Grundrecht auf Asyl demontiert werden; es wird zum Gnadenrecht, das sich immer weiter von der Genfer Flüchtlingskonvention entfernt.

Also künftig noch mehr Dover-Fälle?

Das muß man befürchten. Denn als Reaktion auf die Tragödie hört man ja nur die Forderung nach Ausbau der polizeilichen Überwachungsmethoden. Dabei müßte die Europäische Union als Sofortmaßnahme gegen mögliche Grenztote ihre Grenzkontrollen stoppen.

Sind Asyl und Einwanderung nicht Themen, wo man gerade von den Grünen mehr Initiative erwarten dürfte?

Sollte man meinen. Ich versuche es. Aber es gibt viele KollegInnen, die in eine ganz andere Richtung gehen, auch hier im Europaparlament. Die meisten grünen Abgeordneten haben den Vorschlägen zu gemeinsamen EU-Normen für Asylverfahren zugestimmt - und damit der Demontage des Menschenrechts auf Asyl.

Sehen Sie denn Möglichkeiten, außerhalb der Parlamente Druck zu machen?

Der muss sein, sonst läuft in den Parlamenten gar nichts mehr. Da kann man sich sicher von Frankreich einiges abgucken, wo die Bewegung für Illegale ohne Papiere viel Unterstützung bei den Linken gefunden hat und so auch politischen Druck entfalten konnte. Trotz solcher Aktionen wie „Kein Mensch ist illegal“ oder des Lufthansa-Boykotts wegen deren Rolle bei der Abschiebung sehe ich zur Zeit in Deutschland relativ wenig Bewegung. Dafür immer wieder rassistische Überfälle, die oftmals kaum noch in den Randspalten der Zeitungen erscheinen.

Fragen: Olaf Standke
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