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Ilka Schröder

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Rede im EP vom 17.11.1999 zur geplatzten WTO-Millennium-Round

Schröder, Ilka (Verts/ALE). - Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Berichterstatter!

Die Grünen haben sich bereits 1994 gegen die WTO ausgesprochen, weil es viele Bedenken gegenüber diesem internationalen Koloß gab, der sich alles einverleibt, was nicht marktkonform ist.

In den letzten fünf Jahren ist genau das passiert. Die meisten Menschen sind immer ärmer geworden, während eine dünne Schicht an Nutznießern - vor allem Konzerne - immer größere Profite einfährt. In einer klaffenden Gletscherspalte der Ungerechtigkeit läßt die WTO Massen an Verliererinnen und Verlierern zurück. 1994 haben nicht wenige Abgeordnete unsere Bedenken gegen den sozialen und ökologischen Rückschritt durch die WTO geteilt. Letztlich sprachen sich dann aber doch die meisten für die Welthandelsorganisation aus in der Annahme, daß sich die Probleme durch den Handel von selbst lösen.

Heute hören wir plötzlich neue Töne von sozialem und ökologischem Nachholbedarf. Trotzdem wird am Ende wieder eine Mehrheit dieses Hauses für das Abkommen stimmen, obwohl nichts gelöst ist und obwohl in Genf täglich unwahrscheinlicher wird, daß es überhaupt eine Millenniumrunde gibt.

Unsere erste Forderung daher: Fehler aufdecken und daraus lernen! Doch viele meiner Kollegen und Kolleginnen wollen keine Evaluierung der bisherigen Auswirkungen der WTO. Warum, um alles in der Welt, wird denn hier eine Auswertung so vehement abgelehnt? Wird hier nicht etwas verteidigt, was nicht funktioniert, nämlich die Ideologie des freien Marktes?

Um die Widersprüche einmal am TRIPS-Abkommen zu verdeutlichen: 90% der biologischen Ressourcen kommen aus den Ländern des Südens, aber 97% der Saatgutpatente liegen bei Unternehmen aus Industriestaaten.

Den Zugang zu den genetischen Informationen besitzt damit der reiche Teil des Nordens. Per TRIPS werden die Daumenschrauben für den Süden immer straffer angezogen: Traditionelle Heilmittel werden nach wie vor als Entdeckung eingestuft, während darauf basierende, von der Pharmaindustrie entwickelte Medikamente eine Erfindung sein sollen.

Schließlich läuft das TRIPS-Abkommen u.a. der Biodiversitätskonvention zuwider, fördert Produktpiraterie und ist protektionistisch. Damit wird doch eine eigenständige Entwicklung in den Entwicklungsländern, aber auch hier verhindert.

Um zum Schluß zu kommen: Während hier ein Loblied auf den Freihandel gesungen wird, fliegen in Genf die Fetzen. Die bisherigen Deklarationsentwürfe sind sowohl für uns als auch für die Entwicklungsländer völlig inakzeptabel. Dem freien Markt sollen sogar Gesundheit, Kultur und Bildung geopfert werden.

Die Standstill-Klausel soll verhindern, daß unsere Gesetzgebungen fortentwickelt werden. Ein Bericht, der diese Probleme nicht in den Mittelpunkt stellt, ignoriert, worum es im Kern geht: um eine beschleunigte Sicherung der Profitinteressen Weniger durch die Ausbeutung der Natur und des Menschen.
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